Zwei Kunstsammlungen in einer …

Die Gemeinde Langnau besitzt rund 3000 Kunstwerke. Der weitaus grösste Bestand – etwa 2500 Objekte – gelangte nach der Auflösung der «Stiftung Hans Ulrich Schwaar» in den Besitz der Gemeinde. Um den Charakter dieses Ensembles zu wahren, unterscheiden wir zwischen dem gewachsenen Bestand der Gemeinde und der Sammlung Hans Ulrich Schwaars.

Die Kunstsammlung der Gemeinde Langnau

Die eigentliche Sammlung der Gemeinde umfasst etwa 500 Objekte. Die meisten kamen als Schenkungen in ihren Besitz, darunter Arbeiten von Clara Mattli (1895–1985), Kläri Lüthi (1913–1991), Rudolf Blaser (1924–2024). Einige Werke hat die Gemeinde als Ankäufe erworben, so etwa das Bild von Hans Kohler (1939–2006) im Treppenhaus der Bauverwaltung an der Alleestrasse oder das Bild von Madeleine Ryser im Schulhaus Höheweg. Den Nachlass des bekannten Langnauer Malers Hans Gartmeier nahm zunächst die Stiftung Hans Ulrich Schwaar auf. Weil Gartmeiers Werke jedoch nicht Teil von Schwaars ursprünglicher Sammlung sind, zählen wir sie heute zum Bestand der Gemeinde.

Die Sammlung Hans Ulrich Schwaar

Am Anfang stand der Gedanke, «den Sinn für gute Kunst auch bei der ländlichen Bevölkerung zu wecken». Der Volksschullehrer Hans Ulrich Schwaar verstand die Schule als Ort der Kultur, wo Kinder echten Kunstwerken begegnen und sich über ihre ländliche Emmentaler Heimat hinaus orientieren können. So brachte er in den 1950er-Jahren erste Kunstwerke in sein Klassenzimmer im Gohlgraben. In den folgenden 60 Jahren wuchs eine Sammlung heran, die schliesslich rund 2500 Kunstwerke umfasste: Werkgruppen verschiedener Schweizer Künstler, von Künstler:innen seiner späten Wahlheimat Finnland und Arbeiten von Alfred Manessier und Serge Poliakoff. 1984 errichtete Schwaar die «Stiftung Kunst auf dem Lande». In zahlreichen Ausstellungen aus den Dépots der Stiftung in Langnau, Herzogenbuchsee, Biel und Payerne wurde die Sammlung in wechselnden Kontexten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

2019, fünf Jahre nach Schwaars Tod in Finnland, wurde die Stiftung aufgelöst und ging in den Besitz der Gemeinde Langnau über. Schwaars sehr persönlich geprägte Sammlung ist mittlerweile ein historisches Ensemble geworden. Deshalb trägt sie weiterhin den Namen des Stifters: «Sammlung Hans Ulrich Schwaar». Die Kulturkommission der Gemeinde Langnau hat die Aufgabe übernommen, die Sammlung in ihrem wesentlichen Bestand zu erhalten. Die Erstellung eines systematischen Katalogs soll mittelfristig den Zugriff auf die Werke ermöglichen, sodass die Sammlung sowohl der Öffentlichkeit wie auch der Forschung dienen kann.

Hans Ulrich Schwaar 1920 – 2014

Hans Ulrich Schwaar wurde am 31. Januar 1920 in Sumiswald geboren, wuchs dort in der Familie seines Onkels auf, nachdem die Eltern nach Eggiwil umgezogen waren. Er besuchte das Lehrerseminar Muristalden in Bern, studierte danach Sport, Musik, Sprachen und Geschichte an den Universitäten Basel, Neuchâtel und Umeå. Aufenthalte in Bournemouth, Edinburgh und Oestersund weiteten seinen Sprachhorizont.

Der Lehrer

Als Volksschullehrer wirkte Schwaar zuerst in Trubschachen und danach viele Jahre im Schulhaus Gohl in Langnau. In seinem Klassenzimmer war Kultur kein Nebenfach: Jedes Kind spielte ein Musikinstrument, der Lehrer begleitete am Cembalo, an den Wänden hingen die ersten Werke der späteren Sammlung Schwaar. Auf dem Schulhof wurde zum ersten Mal in einer Schweizer Schule Trampolin gesprungen. 1970 schuf Schwaar mit der Weiterbildungsklasse in Langnau ein wichtiges Bildungsangebot, das den Abgänger:innen der Primarschul-Oberstufe neue Perspektiven und den Anschluss an weiterführende Schulen ermöglichte.

Der Sportler

Als Leichtathlet, Mehrkämpfer, Militärradrennfahrer und Orientierungsläufer war Schwaar sehr erfolgreich, bis ein Skiunfall die bevorstehende Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1952 in Helsinki verhinderte. Schwaar gehörte zu den ersten Schweizern, die um 1950 in Skandinavien an Orientierungsläufen teilnahmen. Als Leiter und Trainer wirkte er im Vorunterricht und in freien Trainingsgruppen.

Der Schriftsteller

Im berndeutschen Raum wurde Schwaar bekannt als Autor von Mundarterzählungen wie «Ämmegrien» und durch Übersetzungen verschiedener Werke von C. F. Ramuz ins Berndeutsche: «Ds Dörfli (Le petit village)», «Hans-Jogg (Jean-Luc persécuté)». Die Ausgaben wurden mit Illustrationen von Emil Zbinden und Edouard Vallet ausgestattet. Buchillustrationen waren durchwegs ein wichtiges Element in Schwaars literarischer Tätigkeit. «Die Sieben Brüder», die berühmte Erzählung des finnischen Nationaldichters Aleksis Kivi, übertrug Schwaar vom Finnischen ins Berndeutsche. 1982 und 1992 erhielt Schwaar den Kultur- bzw. Literaturpreis des Kantons Bern.

Der Kunstsammler

Sein erstes Originalbild erstand Schwaar für sein Klassenzimmer im Schulhaus Gohl: ein Werk seines ehemaligen Zeichenlehrers Heinz Würgler, der die Landschaftsdarstellungen der berühmten Dioramen im Naturhistorischen Museum Bern schuf. Schwaar stand in Kontakt mit vielen Künstlern seiner Generation. Bild um Bild, Blatt um Blatt kamen dazu, in 40 Jahren wuchs eine Sammlung mit gut 2500 Objekten heran, darunter Werkgruppen von Schweizer Künstlern wie Karl Geiser, Hans Kohler, Eugen Jordi, Emil Zbinden, Edouard Vallet und Gérard de Palézieux, Bilder von Soile Yli-Mäyry und Jussi Jäälinoja aus Finnland, sowie Arbeiten auf Papier von Alfred Manessier und Serge Poliakoff. 1984 er- richtete Schwaar die Stiftung «Kunst auf dem Lande»

Finnland

Nach seiner Pensionierung lebte Schwaar vorwiegend im finnischen Lappland. Er galt als einer der besten Kenner der samischen Urbevölkerung Nordskandinaviens. Mit grossem Engagement setzte er sich für die Bewahrung ihrer Kultur und den Schutz ihres Lebensraums ein. In «Näkkälä» beschrieb er eindrücklich den Alltag des Rentierhirten Iisakki-Matias Syväjärvi. 1988 verlieh ihm der finnische Staatspräsident den Ritterorden der Weissen Rose. Von der Universität Tampere erhielt er eine hohe Auszeichnung für seine Verdienste um die finnische Kultur.

Weitere Informationen: www.hansulrichschwaar.ch